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In seinem Geburtsland USA ist Doug Hammond fast vergessen. Gibt man beispielsweise auf "allmusic.com" seinen Namen ein, so werden gerade einmal zwei seiner Platten gelistet - mit dem bezeichnenden Vermerk: "Years Active: 70s, 80s". Dass seine Emigration nach Europa vor mehr als 20 Jahren der einzige Grund dafür sein soll, das glaubt wohl keiner. Denn dieser Drummer und Komponist war schon immer ein Querkopf und Freigeist - und nimmt nach wie vor kein Blatt vor den Mund. Weder als Musiker noch als Dichter.

Doug Hammond - Drummer, Vocalist, Composer, Poet



Brüche in den Lebensläufen sind keine Seltenheit. Ökonomische, musikalische oder persönliche Gründe spielen oft eine Rolle, wenn man nach neuen Wegen sucht oder noch einmal ganz von vorne beginnt. Es sind keine seltenen Fälle, dass afroamerikanische Jazzmusiker, mit ihrer (Lebens-)Situation in den USA unzufrieden, in die „Diaspora" nach Europa gehen, weil man hier ihre Musik weitaus mehr zu schätzen weiß als im „Mutterland" des Jazzjenseits des Atlantiks.

Doug Hammond ist einer dieser Musiker. Seit mehr 20 Jahren lebt der 1942 in Florida geborene Schlagzeuger im „alten" Europa, zuerst in Deutschland, dann in Österreich. „Zum ersten Mal war ich 1975 hier auf Tournee. Danach kam ich sicherlich jedes Jahr für Konzerte nach Europa. Richtig umgezogen bin ich dann 1984. Damals hatte ich eine kleine Wohnung im Schwarzwald - bis 1988, als ich noch einmal für ein Jahr zurück nach Detroit ging. 1989 bekam ich dann den Job hier in Linz", erzählt Doug Hammond, der als Dozent für Jazz-Schlagzeug an der renommierten Anton Bruckner Privatuniversität in Oberösterreichs Landeshauptstadt unterrichtet hat - und fügt hinzu: „In Deutschland war und bin ich oft, in Bremen, in Darmstadt, in Düsseldorf oder Berlin - weil ich dieses Land liebe, landschaftlich und kulturell."

Wohl nur aus den Erfahrungen der „Diaspora" heraus lässt sich eine so berührende, tief in die Seele eindringende Musik machen, wie sie Hammond auf seinem neuen Soloalbum „A Real Deal" (Heavenly Sweetness/Broken Silence) spielt. Zwar fest in der Tradition des US-amerikanischen Jazz und Soul verwurzelt, dennoch die komplette Erfahrungswelt afroamerikanischer Kultur einbeziehend, improvisiert er am Schlagzeug sitzend oder die Kalimba spielend über seine eigenen Gedichte, deren Verse er mal rezitiert, mal singt. Doch seine Schlagzeugimprovisationen bilden nicht nur den Rahmen für seine Lyrik. Erst seine luftigen Grooves und Rhythmen, erst seine melodische Spielauffassung der Drums sorgen dafür, dass die Gedichte an Reife und Würze gewinnen, dass das Wesentliche, die Kernaussagen ans Tageslicht kommen - fast so wie bei einem modernen Griot. „Ja, als Griot würde ich mich tatsächlich gerne selbst sehen", beschreibt Hammond seine Rolle auf „A Real Deal".

„A Real Deal" ist aber mehr als nur die Solo-CD eines JazzDrummers: Hammond glückt darauf der Brückenschlag zwischen Afrika, den USA und Europa. „Schon während meiner Schulzeit habe ich viele der Platten gehört, die von der UNESCO mit afrikanischer Musik herausgebracht wurden. Vor allem die Musik der afrikanischen ,Regenwald-Menschen', der so genannten Pygmäen' - ein widerliches Wort -, hat mich fasziniert." Ergänzt und erweitert durch seine Erfahrungen als Sideman prominenter Jazzmusiker - beispielsweise bei Charles Mingus, Sonny Rollins und Peter Gigers Family Of Percussion - und als Leader eigener Projekte (auf „Spaces" etwa gab Steve Coleman sein richtiges Albumdebüt), ist ein gleichermaßen berührendes wie berückendes Kunstwerk entstanden, das sich strikt jeder Kommerzialisierung und Banalisierung entzieht. Eingebettet in Hammonds Solo-Performances sind drei wundervolle Duo-Stücke, die er mit seinem langjährigen, ebenfalls in Europa, in der französischen Hauptstadt Paris, lebenden Freund Kirk Lightsey am Piano aufgenommen hat. Diese drei Lieder, „A Tear", „Moves" und „Wholeness/The One In All/Forgetfulness", sind etwas ganz Besonderes: Hier verbindet sich auf eindrucksvolle,Art und Weise die US-amerikanische Songtradition mit der europäischen Liedkunst und Pianistik etwa eines Franz Schubert, Robert Schumann, Claude Debussy oder Arnold Schönberg, ganz harmonisch und einvernehmlich - mit einem Doug Hammond als berührend interpretierendem Sänger der selbst geschriebenen Verse, mit einem Kirk Lightsey als wunderbar antizipierendem Pianisten. Übrigens ist „A Real Deal" nicht Doug Hammonds erstes Album seit 20 Jahren, wie es das CD-Info weismachen möchte: 2005 erschien auf seinem eigenen Label Idibib das Trio-Album „Singing Smiles" mit einer Instrumentalfassung desTitelstücksvon „A Real Deal" - und mit Liner notes des Jazzthing-Autors Hans-Jürgen Schaal.

Hammonds skeptischer, bisweilen pessimistischer Blick auf die alte Heimat USA ist geblieben - obwohl oder gerade weil er seit vielen Jahren in Europa lebt. j975 habe ich Reflection In A Sea Of Nurnen' veröffentlicht. Das ist auch das Album, weshalb sich Antoine (Rajon, der Hammonds Solo-CD produziert hat - Anm. d. Autors) für mich und meine Musik interessiert hat. Darauf habe ich unmissverständlich Stellung gegen den VietnamKrieg bezogen - vor allem mit meinen Lyrics, so dass ich ständig gefragt wurde, was ich damit überhaupt bezwecken will. Die politische und gesellschaftliche Situation in den USA hat sich bis heute nicht verändert oder gar verbessert - leider."Am 26. Dezember 2007 ist Doug Hammond 65 Jahre alt geworden - und hat sein „Rentenalter" erreicht: Mitte Februar ist er von der Anton Bruckner Privatuniversität in den Ruhestand geschickt worden. Ruhestand? Wohl nicht wirklich, denn: „Am liebsteni würde ich jetzt 200 Konzerte pro Jahr spielen, solo, im Duo mit Kirk oder mit meinem Trio. Das ist das, was ich mir für die nahe Zukunft wünsche."

Text Martin Laurentius


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"The Ricocheter" - Jazzthing
"A Real Deal" - Jazztimes
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